
Ich schlage die HAZ auf und falle fast vom Stuhl. Auf einem Foto der Lokalzeitung ist Viktoria Sochor, Abiturientin von 2018, zu sehen. Mit unserem Bundespräsidenten!
Wir haben Viktoria getroffen und gefragt: was war denn da los?

Liebe Viktoria, du warst vergangene Woche in Berlin und hast unseren Bundespräsidenten getroffen.
Erzähl doch mal: wie kam es dazu und was war der Anlass?
Das ist eine bisschen längere Geschichte. Zu dem Zeitpunkt lebte ich noch in Kanada und meine Mutter schickte mit gelegentlich Zeitungsartikel aus der lokalen, deutschen Presse zu. Mitte Februar erreichte mich jener Artikel, in dem angekündigt wurde, dass der Bundespräsident Bürger aus ganz Deutschland zum 70. Jubiläum des Grundgesetztes zu einer Kaffetafel einladen möchte. Man konnte sich über Zeitungen oder direkt beim Bundespräsidialamt mit einem Motivationsschreiben bewerben. Daraufhin schrieb ich sofort los. Eines Morgens erreichte mich die erfreuliche Nachricht, dass ich dabei sein durfte. Mitte April flog ich wieder zurück nach Deutschland und war voller Vorfreude auf den Tag im Schloss Bellevue.
Auf einer Skala von 1 bis 10: wie aufgeregt warst du?
Stark aufgeregt war ich nicht, vielmehr gespannt, auf das was geschehen wird. Man sieht das Schloss Bellevue ja meist von außen, wenn man in Berlin an der Spree entlang spaziert oder in den Nachrichten im Fernsehen. Es war schon ein unbeschreibliches Gefühl als ich das Schloss betreten habe, dieser wunderschöne Garten vor mir lag und ich den Bundespräsidenten und die Politiker mal wirklich treffen konnte. So wirklich fassen konnte ich es nicht.
Und wie ist er denn so, unser Bundespräsident?
Bodenständig, aufmerksam und humorvoll. Er hört genau zu und nimmt sich Zeit für Fragen und Anregungen.
Worüber spricht man mit Herrn Steinmeier?
Die Themen waren breit gefächert und jeder Teilnehmer hat unterschiedliche Themen mitgebracht, die ihm wichtig waren. Es ging viel um Bildungspolitik, Datenschutz, die Flüchtlingskrise und den Klimaschutz. Aber auch die Rolle der Medien wurde diskutiert oder zum Beispiel auch, wie wichtig das Europaparlament in Brüssel ist und wie Gesetze entstehen. Kein Thema blieb zu kurz.
Konntest du ganz ungezwungen deinen Erdbeerkuchen an einem Tisch mit den Menschen essen, die die Geschicke des Landes leiten?
Obwohl man mit so mächtigen Politikern an einem Tisch zusammensitzt, isst jeder trotzdem mit dem gleichen Besteck und keiner ist höhergestellt. Natürlich hat man Respekt und gewissermaßen auch eine hohe Anerkennung gegenüber der Person, aber letztlich sind wir auch alle nur eins: Menschen.

Es waren auch – neben anderen – Wolfgang Schäuble und Sascha Lobo dort. Worüber habt ihr gesprochen?
Ich habe mich zuerst mit Herrn Voßkuhle, dem Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts, unterhalten. Es ging um das Thema Sicherheit und Kriminalität und ob das Strafmaß erhöht werden soll. Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es ein Spannungsverhältnis in der subjektiven Wahrnehmung von Kriminalität des Bürgers gibt, da es in den Medien vermehrt Berichte über Straftaten gibt bzw. die Wahrnehmung dieser intensiver ist, jedoch faktisch eine Abnahme an Straftaten in den letzten Jahrzehnten vorliegt.
Danach führte ich ein Gespräch mit Herrn Schäuble, in dem er auf die Problematik eingegangen ist, dass viele Bürgerinnen und Bürger das Empfinden haben, nicht von der Politik gehört zu werden. Schäuble sagte in diesem Zusammenhang, dass es 80 Millionen unterschiedliche Interessen gäbe und man nicht jede einzelne Meinung berücksichtigen könne. Es sei die Aufgabe der Demokratie zu diskutieren und zu debattieren um die Meinung der Mehrheit zu ermitteln.
Sascha Lobo habe ich kurz zum Schluss gesehen, aber es blieb leider nicht genug Zeit für ein ausführliches Gespräch.

Was nimmst du mit von diesem Tag?
Der Tag hat vor allem eines gezeigt: Viele Bürger haben geäußert, dass sie ihre Interessen nicht mehr vertreten sehen und ihnen nicht zugehört wird. Umso wichtiger finde ich, dass es mehr Bürgerdialoge gibt. Wir müssen öfter darüber sprechen wie es in unserem Land zugeht. Was gut funktioniert, aber auch was noch zu verbessern ist. Ich denke, wenn wir uns öfter zuhören und uns – unabhängig von unserer politischen, ideologischen oder religiösen Überzeugung – austauschen, dann wird die Demokratie viel lebendiger und man hat auch das Gefühl dabei zu sein und die Gesellschaft mitzugestalten. Man wird merken, dass sich trotz vieler Differenzen auch Gemeinsamkeiten finden.

Zu Viktoria: Sie wurde 1999 in Hannover geboren. Während ihrer Schulzeit schrieb sie für den Schülerblog yellowpost und drehte in ihrer Freizeit Kurzfilme, für die sie mehrfach ausgezeichnet wurde. Zudem war sie währenddessen an Projekten der Medizinischen Hochschule Hannover und am Institut für Quantenoptik der Leibniz Universität Hannover tätig. Nach dem Abitur 2018 an der IGS Roderbruch lebte sie zunächst ein Jahr in Kanada und anschließend in New York, USA. 2019 kehrte sie wieder in ihre Heimatstadt zurück und arbeitet seitdem für die Finanzinformatik in Hannover. Ab Oktober fängt sie ihr Studium an der Georg-August Universität Göttingen an.
Kommentar verfassen