Das ist unsere Rubik „WIE WIRD MAN EIGENTLICH…“ Hier stellen wir euch Menschen vor, die über ihre Arbeit und ihre Leidenschaft zum Beruf sprechen.
Denn Arbeit ist häufig so viel mehr als Broterwerb: Sich berufen fühlen. Gebraucht werden und Dinge mit den eigenen Händen erschaffen. Wert und Sinn in der Arbeit finden.
Los geht es heute mit Klaus Borchers, Bäckermeister aus Hannover.

Lieber Herr Borchers, Ihre Bäckerei heißt Spezialitätenbäckerei – was bedeutet das denn genau?
Schon mein Großvater hat zu seiner Zeit erkannt, dass eine Spezialisierung, sei es auf besondere Produkte, auf besondere Qualität oder auf besonderen Service, einen Vorteil im Wettbewerb bringt. Wir haben deshalb immer Wert darauf gelegt, in all diesen Bereichen erkennbar spezieller (besser) zu sein als unsere Mitbewerber. Natürlich soll und muss das auch für potentielle Kunden, also solche, die erst Kunden werden sollen, erkennbar sein. Deshalb führen wir die Bezeichnung „Spezialitätenbäckerei“ in unserem Namen.
Sind Sie von Hause aus Bäckermeister?
Die handwerkliche Bäckertradition begann in unserer Familie bereits vor über 170 Jahren.Die Familie hat inzwischen 6 Generationen Bäckermeister hervorgebracht, darum kann ich natürlich aus Überzeugung sagen, ich bin Bäckermeister!
Wie war Ihr Werdegang?
Mein beruflicher Werdegang begann 1973, als ich in einer von meinem Vater ausgesuchten Bäckerei in Hannover meine Lehre begann. Mit meinem Lehrmeister Heini Stöter war mein Vater befreundet, sie hatten zusammen die Meisterprüfung gemacht. Nach Abschluss dieser ersten Ausbildung habe ich im Cafè Steinbrink Konditor gelernt. Danach ging ich in den elterlichen Betrieb.
1981 folgte dann die Meisterprüfung im Bäckerhandwerk. Mein Vater erkrankte kurz darauf und ich musste gemeinsam mit meiner Frau den Betrieb führen. 1986 haben wir dann offiziell den Betrieb übernommen.
1993 legten meine Frau und ich die Prüfung zum Betriebswirt des Handwerks ab. Wir haben unseren Betrieb, der damals noch keine Filialen hatte, im Laufe der Jahre kontinuierlich weiterentwickelt und aufgebaut. Heute haben wir sechs Verkaufsstellen, beschäftigen rund 60 Mitarbeiter und sehen dem nächsten Generationswechsel entgegen, denn unser Sohn ist inzwischen ebenfalls Bäckermeister geworden.
Ich selbst habe im vergangenen Jahr noch einmal intensiv die Schulbank gedrückt und eine sehr anspruchsvolle, aber auch interessante Fortbildung absolviert. Seither darf ich mich zusätzlich zum Bäckermeister auch staatl. Geprüfter Brotsommelier nennen.
Was muss ein Bäcker eigentlich können?
Das moderne Berufsbild eines Bäckers ist ebenso vielseitig und herausfordernd wie abwechslungsreich und interessant. Jeder Bäcker muss alles über die Rohstoffe wissen und natürlich über deren Verarbeitung. Handwerkliche Fertigkeiten, ein guter Geschmackssinn und überhaupt ein positives Verhältnis zu allem, was mit Essen und Trinken zu tun hat. Eine moderne Bäckerei ist heute ein Hightech Unternehmen, deshalb muss der Bäcker von heute auch fit sein im Umgang mit komplexen Produktionsanlagen. Das erfordert im Hintergrund ein umfangreiches theoretisches Wissen, denn nur so kann er alle Zusammenhänge erfassen und verstehen.
Wie sieht bei Ihnen ein typischer Arbeitstag aus?
Ein typischer Arbeitstag in unserer Bäckerei beginnt um 3°° Uhr morgens! Allerdings nur für drei Mitarbeiter, die anderen fangen „erst“ um 6°° Uhr an. Natürlich werden zuerst die Brötchen gebacken, damit zur Öffnung unserer Filialen alles für das Frühstück fertig ist. Danach kommen süße Gebäcke wie Plunder oder Streuselkuchen. Die zweite Schicht beginnt dann mit der Brotherstellung und nach der Pause geht es dann an die Vorbereitungen für den nächsten Tag. Ich selbst bin immer als Erster in der Backstube. Als Chef habe ich natürlich noch sehr viele andere Aufgaben und deshalb bleibe ich nur in den ersten Stunden bei meinen Bäckern. Danach kümmere ich mich um die recht umfangreiche Organisation und Verwaltung unseres Betriebes. Mein eigener Arbeitstag geht meistens bis 19:30 Uhr, weil ich ganz am Schluss des Tages schon wieder die Produktion für morgen planen muss.
Haben aus Ihrer Sicht Handwerksbäcker eine Zukunft?
Handwerkliche Bäckereien stehen zwar im intensiven Wettbewerb mit dem Lebensmitteleinzelhandel (EDEKA, REWE) und auch mit den Discountern wie Aldi Lidl & Co. Ich bin aber fest davon überzeugt – und unser Betrieb belegt das – , dass die handwerkliche Qualität immer ihre Kunden finden wird. In den letzten Jahren ist aus vielerlei Gründen das Bewusstsein für die Qualität von Lebensmittel wieder gestiegen. Unsere Kunden suchen sich ganz bewusst den Hersteller ihrer Lebensmittel aus und sind auch bereit einen etwas höheren Preis zu bezahlen. Dafür erwarten sie aber auch eine super Qualität der Produkte und des Service. Wenn der handwerkliche Bäcker diesen Erwartungen entspricht und zudem noch ein Spezialitätenbäcker ist, dann wird es auch weiterhin handwerkliche Bäckereien geben.
Wie attraktiv ist der Bäckerberuf für junge Menschen?
Der Beruf des Bäckers ist meiner Meinung nach für junge Leute sehr interessant. Wer sich für eine Ausbildung zum Bäcker entscheidet bekommt ein umfangreiches fachliches Wissen in Praxis und Theorie vermittelt. Der Bedarf an gut ausgebildeten Bäckern ist groß, damit sind die Chancen auf dem Arbeitsmarkt sehr gut. Der Beruf bietet eine ganze Menge an Aufstiegsmöglichkeiten. Vom leitenden Gesellen bis zum verantwortlichen Meister, der die Produktion eines größeren Betriebes leitet gibt es sehr viele Möglichkeiten. Außerdem kann man Studiengänge zum Lebensmitteltechniker anhängen. Und man kann sich natürlich nach wie vor mit einer Bäckerei selbstständig machen. Dann ist man sehr viel freier in seinen Gestaltungsmöglichkeiten, kann seiner Kreativität viel Freiraum lassen und seinen Betrieb nach den eigenen Vorstellungen prägen. Eine Besonderheit unseres Berufes halte ich in heutiger Zeit für besonders wertvoll. Der Bäcker arbeitet ganzheitlich. Das heißt, er sucht sich die Rohstoffe aus, stellt daraus eine Rezeptur zusammen, überlegt sich ein Herstellungsverfahren und wendet es an. Er bringt das hergestellte Produkt in den Verkauf und kann sogar anhand der Reaktionen seiner Kunden feststellen, wie seine Ware ankommt. In unserer heutigen arbeitsteiligen Welt ist das eine große Besonderheit! Deshalb würde ich sagen, man wird Bäcker, wenn man auf diese Dinge Wert legt, wenn man einen besonders kreativen und bei aller Tradition auch innovativen Beruf erlernen möchte, der viele Möglichkeiten zum Aufstieg und Ausbau bietet.
Was macht für Sie die Faszination BROT aus?
Das faszinierende an Brot ist für mich seine fast unglaubliche Vielseitigkeit. Brot als Nahrungsmittel ist ja schon einige Tausend Jahre alt und hat dabei nichts von seiner Bedeutung eingebüßt. Es ist nach wie vor ein hochwertiges Nahrungsmittel, bestens geeignet für eine bewusste Ernährung bei der man nicht auf genussvolles Essen verzichten möchte. Brot ist ein hervorragender Energielieferant, dem wir ein Großteil unserer Leistungsfähigkeit verdanken. Brot wird aus heimischen Rohstoffen hergestellt, die jedes Jahr neu angebaut und geerntet werden, nach Deutschland wird so gut wie kein Brotgetreide eingeführt. Außerdem hat Brot eine ausgeprägte regionale Verankerung. Jeder kennt „das Brot“ seiner Heimat und verbindet damit emotionale Erinnerungen. All das zusammen macht die Faszination des Brotes aus.
Woran erkennt man – ohne große Ahnung zu haben – ein gutes Brot?
Ein gutes Brot erkennt man am besten daran, dass man nach dem Genuss sagt, das war super lecker. Für den einen ist das eine krachend knackige Kruste, für den anderen eine feine Gewürznote und für den Dritten das softig weiche eines Weißbrotes. Auf jeden Fall sind die vergebenen Prädikate so unterschiedlich wie die Brotesser.
Eine Kombination mit Brot, die man unbedingt probiert haben muss…
Es gibt so viele Kombinationen von Brot und anderen Lebens- oder Genussmitteln, dass die Auswahl einer einzigen fast unmöglich ist. Ich erinnere mich zum Beispiel an einen Urlaub in Tunesien, wo wir auf einem Ausflug zu einer Olivenölmühle unterwegs ein typisches Brot der Gegend gekauft haben. Das haben wir dann mit einigen Körnern groben Salzes und natürlich dem frisch gepressten Olivenöl genossen – das war eine kleine Offenbarung! Zu einem deftigen norddeutschen Roggenbrot passt vielleicht besser eine Eichsfelder Mettwurst oder ein würziger Käse. Von Brot und Wein mal ganz zu schweigen.
Ich bin eher der Brottyp und esse auch zum Frühstück, na ja nicht lieber, aber ebenso gerne auch Brot. Allerdings ist ein wirklich gutes Brötchen mit krachender, röscher Kruste auch eine Versuchung!
Woran erkennt man eine gute Bäckerei?
Die gute Bäckerei erkennt man als Kunde sicher am besten, indem man die Backwaren probiert. Natürlich kann man sich auch schon von außen einen ersten Eindruck machen. Da wird ja heute viel Geld investiert, um eine ansprechende Atmosphäre zu schaffen. Aber das typische Erkennungsmerkmal gibt es eigentlich nicht.
Deutsches Brot ist Weltkulturerbe – Was macht unser Brot denn so besonders?
Die deutsche Brotkultur ist immaterielles Kulturerbe. Immerhin gibt es bei uns mehr als 3.000 Brotsorten, die in einem Brotregister geführt werden. Das ist auf der Welt einmalig! Es liegt an der regionalen Verankerung, aus der sich diese Vielfalt entwickelt hat. Es liegt aber auch an der Tradition des Bäckerhandwerks. Wir bilden Bäcker bis hin zum Meister sehr intensiv aus. Das Bäckerhandwerk betreibt dazu eine eigene Akademie. Eine fachlich so hochkarätige Ausbildung kennen viele andere Nationen nicht. Unsere Bäcker sind dadurch in der Lage – und wollen das auch!- immer wieder neue Brotsorten zu erfinden und auf den Markt zu bringen.
In Deutschland gibt es immer mehr Brot-Discounter und Industrieware. Macht Ihnen das Sorgen?
Als ich in die Lehre kam, und das ist 46 Jahre her, da waren die Marktanteile zwischen Bäckerhandwerk und Brotindustrie einfach zu beschreiben. ¾ haben die Bäcker und ¼ hat die Industrie. Dieses Verhältnis hat sich nahezu umgekehrt, die Bäcker halten heute noch etwa 40% des Marktes. Mit der zunehmenden Zahl der Supermärkte, aber auch durch veränderte Einkaufsgewohnheiten hat sich der Markt radikal verändert. Aber ich bleibe bei meiner Einschätzung, dass die handwerklichen Bäckereien ihren Platz behaupten können, wenn auch mit einem kleineren Stück vom Kuchen.
Bitte ergänzen Sie: Brot ist für mich…
Brot ist für mich genau das:
Wir haben im Brot
ein Werkzeug menschlicher Gemeinschaft kennengelernt,
wegen des Brotes,
das gemeinsam geteilt wird.
Wir haben im Brot
das Bild der Größe der Arbeit kennengelernt,
wegen des Brotes,
das im Schweiße des Angesichts verdient wird.
Wir haben im Brot
den wesentlichen Träger der Barmherzigkeit kennengelernt,
wegen des Brotes,
das in der Stunde des Elends ausgeteilt wird.
Der Geschmack des geteilten Brotes hat nicht seinesgleichen.
Antoine de Saint-Exupéry
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