3 Fragen an den Pastor. Jens Petersen.

Glaube, Liebe, Hoffnung?

Ich arbeite in der Kirche, weil ich hier mit sehr unterschiedlichen Menschen zu tun habe. Die Frage nach Gott, einer heilsamen, versöhnenden, Zuversicht vermittelnden Instanz, ist meiner Meinung nach in vielen Zusammenhängen wahrnehmbar. Auch wenn Menschen das Wort Gott nicht mehr nennen, so habe ich dennoch die Erfahrung gemacht, dass sie nach Trost, Schutz, Hilfe und Gewissheit in ungewissen Zeiten suchen. Sie sprechen dann mitunter unbewusst Themen an, die dem christlichen Glauben sehr nahe stehen. Ich versuche dies im Gespräch zu nutzen, bewusst zu machen und unter Umständen mit Menschen Wege zu finden, auf denen neue Einsichten oder Ansichten möglich sind.

Ich bin 54 Jahre alt und seit 19 Jahren im Pfarrdienst. Ich bin Pastor in der Epiphanias-Kirchengemeinde im Nordosten Hannovers, im Stadtteil Sahlkamp. Hier übe ich alle Tätigkeiten eines Pastoren aus, feiere Gottesdienste, begleite Menschen bei Taufen, Trauungen und Beerdigungen, gestalte den Konfirmandenunterricht, leite den Kirchenvorstand und führe damit auch Managementaufgaben aus.

Warum sollten junge Menschen in die Kirche gehen?

Die Kirche befindet sich in einem ständigen Wandel. Kirche ist nicht Kirche für sich selbst, für die, die meinen dazuzugehören, sondern sie ist immer und grundsätzlich Kirche für andere, für die, die sonst ausgegrenzt sind, für die ohne Stimme und Chance, für die, die anders denken, anders glauben, anders leben. Kirche feiert den Unterschied und schert nicht alles und alle über einen Kamm. Damit das in jeder Zeit und Generation so wahrgenommen werden kann, braucht die Kirche immer auch junge Menschen, die sich mit ihrem Glauben den Strömungen, den Veränderungen, den Stimmungen in der Gesellschaft aussetzen. Die Kirche braucht Nachwuchs, der offen ist für wichtige Impulse, Fragen und Bedürfnisse aus der Gesellschaft, auf die Antworten gefunden werden müssen. Die Kirche braucht mutige Menschen, die sich sicher sind, dass Jesus Christus genauso stark ist wie die derzeitige digitale Revolution und dass Gott angesichts von Facebook, Twitter und What’sApp seine Botschaft weiterhin deutlich zum Ausdruck bringt.

Hatten Sie schon einmal eine inspirierende Begegnung mit einem Menschen?

Mich beeindrucken Begegnungen mit Menschen am meisten, die in und nach belastenden Erfahrungen Mut und Stärke aus einem unerschütterlichen Vertrauen auf Gott gewinnen. Sie müssen nichts Schweres leugnen, können auch sagen, dass ihnen manches schwerfiel, aber sie strahlen dennoch eine Heiterkeit und Gelassenheit aus, die angesichts ihrer Lebensgeschichte manchmal außerordentlich ist. Solche Menschen haben mir erzählt, Gott habe sie geführt oder bewahrt, mit Gott seien sie aus Gefahren davongekommen oder vor Gefahren verschont geblieben. Z. B. hat eine Dame nach schwierigen Situationen, die dann doch ein gutes Ende nahmen, immer gesagt: „Der liebe Gott hat es so gefügt.“ In seiner heiteren Einfachheit hat mich dieser Satz berührt und ich ertappe mich, dass ich an diesen Satz in ähnlichen Situationen auch denke.

Woran sollte man in Zeiten wie unseren glauben?

Alle Menschen glauben an irgendetwas: An Ihre Kraft, an ihr Smartphone, an ihr Auto, ihre Möglichkeiten, Chancen, Fähigkeiten, Macht, die Zukunft, den Erfolg, die Erreichbarkeit ihrer Ziele. Viele glauben an SICH und daran zuerst. Wie sollten sie denn auch anders, da der eigene Wille, die eigenen Lebensentscheidungen, die Selbstbestimmung doch so eine große Rolle spielen? Einigen ist aber längst klar, dass Menschen zwangsläufig viele Dinge ausblenden und nicht beachten, wenn sie auf etwas Bestimmtes ihr Augenmerk richten. Wenn sie auf sich selbst schauen, blenden sie erst recht sehr viel anderes aus. Z. B. wird ihnen wohl sehr selten deutlich, dass sehr viele Menschen in ihrem Leben kaum die Gelegenheit erhalten, ihre Stärken zu entfalten, Chancen zu nutzen, Fähigkeiten zu entwickeln, in eine gute Zukunft zu gehen, Erfolge zu feiern. Es fällt schwer zu erkennen, dass häufig der Glaube und das Arbeiten an den eigenen Chancen und Zielen sowie der eigene Erfolg davon abhängen, dass andere das eben nicht können. Wer an den eigenen Erfolg glaubt und dafür arbeitet, nimmt zwangsläufig den Misserfolg, das Scheitern anderer in Kauf: Es kann nur wenige geben!

Glauben, wie das Christentum ihn versteht, rechnet mit den Erfolglosen, den Abgehängten, denen, die in der Welt Unrecht bekommen und erleiden. Dieser Glaube versucht, die, die ausgeblendet, nicht beachtet oder gar vergessen werden, in den Blick zu nehmen. Menschen werden im Glauben an Gott dahin geführt, dass sie ihr Augenmerk weg von sich selbst auf die Bedürfnisse anderer Menschen wenden.

Ich glaube, diese Zuwendung zum anderen ist in der heutigen Zeit immer noch von großer Bedeutung. Wenn kein anderer mehr wissen sollte, dass das Wohlergehen einer Gesellschaft daran abzulesen ist, wie sie mit den Andersdenkenden, den Fremden, den Schwachen, den Absonderlichen und Chancenlosen umgeht, dann bewahren die Glaubenden der Gesellschaft dieses Wissen. Und darum bleibt der Glaube an den erbarmenden, gnädigen, liebenden Gott wichtig.

Ein Interview von Vanessa Bönninghausen 

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