Menschenrechte im digitalen Raum

Lena Rohrbach von Amnesty International im Interview mit Saphira, Julia und Sumeja aus dem Wahlpflichtkurs Kunst und Politik (Klasse 11 bei der Lehrerin Melanie List).

Lena Rohrbach ist Referentin für Menschenrechte im digitalen Zeitalter und Rüstungsexportkontrolle bei Amnesty International. Sie studierte Philosophie, Kulturwissenschaft und Geschichte in Berlin und International Human Rights Law an der University of Nottingham.

2014 verabschiedete die UN-Generalsversammlung eine Resolution für gleiche Rechte online und offline. Trotz positiver Aspekte, wie der Unterstützung von Menschenrechten und Zugang zu Informationen im digitalen Raum, werden Herausforderungen durch Menschenrechtsverletzungen, Cybercrime und Diskriminierung durch Algorithmen sichtbar. Es stellt sich die Frage, wie Menschenrechte digital gewahrt und Handlungsspielräume der Zivilgesellschaft gesichert werden können. Wir sprachen zu diesem Themenkomplex mit Lena Rohrbach, die dazu auch im Rahmen der Hannah Arendt Tage 2023 referiert.

Liebe Frau Rohrbach, welche Ziele verfolgt Amnesty international?

Amnesty International ist eine Organisation mit 10 Millionen Mitgliedern weltweit, die auf eine bessere Welt hinarbeiten. Unser Ziel ist eine Welt, in der die Menschenrechte geachtet werden. Wenn sie verletzt werden, sollten die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir finanzieren uns durch unsere Mitglieder und Einzelspenden und sind unabhängig von Regierungen, politischen Ideologien, wirtschaftlichen Interessen oder Religionen. Wir glauben, dass ein solidarisches und mitfühlendes Handeln mit Menschen weltweit unsere Gesellschaft positiv verändern kann.

Wie setzten Sie diese Ziele um?

Amnesty International recherchiert, um Missstände aufzudecken, wo auch immer sie auftreten. Wir setzen uns gegenüber Regierungen und Unternehmen
für Veränderungen ein, damit sie ihre Zusagen einhalten und das internationale Recht beachten.  Wir versuchen auch internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen und die Europäische Union von unseren Zielen zu überzeugen. Indem wir die Geschichten der Menschen teilen, mit denen wir zusammenarbeiten, bewegen wir Millionen von Unterstützer*innen weltweit dazu, sich für Veränderungen einzusetzen und die mutigen Aktivist*innen vor Ort zu schützen. Oft arbeiten wir dafür mit “Urgent Actions”: Wenn Amnesty International von willkürlichen Festnahmen, Morddrohungen, Verschwindenlassen, Folterungen oder bevorstehenden Hinrichtungen erfährt, aktivieren wir unser Netzwerk aus Aktivist*innen (80.000 Menschen in 85 Ländern, davon 10.000 in Deutschland). Diese Menschen schreiben dann Appelle an die Verantwortlichen und fordern, die Betroffenen freizulassen, zu schützen etc. Weiterhin helfen wir Menschen durch Aus- und Weiterbildung, aktiv ihre Rechte zu verteidigen. 

Auf welche Themen möchten Sie bei Ihrem Vortrag bei den Hannah Arendt Tage eingehen?

In meinem Vortrag stelle ich Menschen aus verschiedenen Ländern der Welt vor, die in ihren Menschenrechten durch die Digitalisierung betroffen sind. Sie stehen mit ihren Geschichten für verschiedene Probleme, die es für die Menschenrechte im digitalen Zeitalter gibt: Zum Beispiel die gezielte Überwachung von Menschenrechtsaktivist*innen oder Massenüberwachung mit KI, Internetzensur, Regierungen, die einfach das Internet abschalten, um Proteste zu verhindern, oder das organisierte Aufstacheln zur Gewalt im Internet. Ich will aber nicht alles negativ sehen, sondern auch über die schönen Seiten berichten. Ich erkläre zum Beispiel, wie ganz normale Menschen dank des Internets von Zuhause aus Menschenrechtsverletzungen recherchieren und bei unserer Arbeit helfen können.

In welchem Zusammenhang stehen Digitalisierung und Menschenrechte?

Als das Internet noch relativ neu war, hätte ich gesagt, dass es vor allem die Menschenrechte auf Meinungs- und Informationsfreiheit und die Privatsphäre betrifft. Mittlerweile fällt mir aber fast kein einziges Menschenrecht mehr ein, das nicht durch die Digitalisierung betroffen wäre. Kein Wunder, sie durchdringt ja immer mehr all unsere Lebensbereiche, und die Menschenrechte sind eben das, was unsere Würde in all unseren Lebensbereichen schützt. Amnesty Internationals Menschenrechtsarbeit hat sich durch die Digitalisierung natürlich auch verändert.
Bei den meisten digitalen Technologien kommt es darauf an, wer sie benutzt und mit welchen Absichten, etwa bei KI, die Menschenrechte schützen und auch verletzen kann. Manche digitalen Technologien sind nach Ansicht von Amnesty aber auch grundsätzlich nicht mit den Menschenrechten vereinbar und sollten verboten werden. Dazu gehören z.B. Überwachungstechnologie, die wirklich alles auf einem Handy mitliest, KI-Systeme wie Social Scoring oder Gesichtserkennung im öffentlichen Raum, oder Autonome Waffensysteme, die ohne echte menschliche Kontrolle über Leben und Tod entscheiden.
Besonders an der Digitalisierung ist auch, dass ständig Technologien neu entstehen und wir als Menschheit möglichst schnell herausfinden und aushandeln müssen, ob und wie wir sie benutzen und welchen Gesetzen wir sie unterwerfen wollen. Meist wird eine neue digitale Anwendung viel schneller weltweit benutzt, als die Regeln dafür geschaffen werden. Das sieht man gerade am Beispiel Social Media oder Künstliche Intelligenz.

Zusammengefasst

Lena Rohrbach, Expertin für digitale Menschenrechte und Rüstungsexportkontrolle bei Amnesty International, beleuchtet die Dynamiken und Dilemmata der Menschenrechtsarbeit im digitalen Zeitalter. 2014 hat die UN eine Resolution zu Online- und Offline-Rechten beschlossen, doch die digitale Welt bringt sowohl Unterstützung als auch Herausforderungen für Menschenrechte. Amnesty International, eine durch Mitgliedsbeiträge und Spenden finanzierte Organisation mit 10 Millionen Mitgliedern, zielt darauf ab, eine Welt zu schaffen, in der Menschenrechte respektiert und Verletzungen geahndet werden. Die Organisation betreibt Forschung, setzt sich gegenüber Regierungen und Unternehmen für Menschenrechte ein und mobilisiert ihre globale Mitgliederbasis, oft durch „Urgent Actions“ in Reaktion auf akute Menschenrechtsverletzungen. Im Kontext der Digitalisierung und Menschenrechte betont Rohrbach, dass nahezu jedes Menschenrecht von der Digitalisierung betroffen sein kann, wobei die Technologienutzung und ihre Absicht entscheidend sind. Einige Technologien, wie Überwachungstools und autonome Waffensysteme, betrachtet Amnesty als inhärent menschenrechtsverletzend. Rohrbach unterstreicht, dass die schnelle Einführung neuer Technologien oft regulative und ethische Diskussionen hinter sich lässt, ein Phänomen, das besonders bei Social Media und Künstlicher Intelligenz sichtbar wird. Sie wird auch Menschen vorstellen, deren Menschenrechte durch Digitalisierung betroffen sind, und sowohl positive als auch negative Aspekte aufzeigen, wenn sie im Rahmen der Hannah Arendt Tage 2023 spricht.

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von Anders Noren.

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