Atefe Asadi ist eine vielseitige Künstlerin und zeichnet sich als Autorin, Redakteurin, Übersetzerin und Songwriterin aus. Ihre beeindruckende Arbeit und ihr unerschütterlicher Einsatz für die Freiheit des Wortes und der Meinungsäußerung wurden im Dezember 2022 mit der Verleihung eines Hannah-Arendt-Stipendiums gewürdigt. Amina, Negin, Viktoria und Leyla) aus dem Wahlpflichtkurs Kunst und Politik (Klasse 11 bei der Lehrerin Melanie List) sprachen mit Atefe im Literaturhaus Hannover.
Die iranische Schriftstellerin Atefe Asadi, bekannt für ihre tiefgehenden Betrachtungen sozialer und politischer Themen, insbesondere im Bereich Geschlechter und Frauenrechte, hat trotz politischen Drucks und Zensur in ihrer Heimat mutig ihre Stimme erhoben. Einige ihrer Werke wurden im Iran zensiert und sie wurde wiederholt verhört. Asadi, die seit Dezember 2022 in Hannover lebt, ist Empfängerin des Hannah-Arendt-Stipendiums, das seit 2000 verfolgten Autorinnen Zuflucht und einen sicheren Ort bietet. Ihre Arbeit und ihr Aktivismus haben internationalen Einfluss und lösen wichtige Diskussionen aus. Hannover unterstreicht mit dem Stipendium den Beitrag zum Schutz der Meinungsfreiheit und der Menschenrechte.

Wie ist es für Sie, nicht mehr in Ihrer Heimat zu leben?
Als Schriftstellerin ist Sprache mein Werkzeug, aber hier in Deutschland ist es plötzlich Deutsch und Englisch. Zum ersten Mal musste ich Dinge auf Englisch übersetzen und Englisch im echten Leben sprechen. Ich würde es als „Verlust der eigenen Sprache“ bezeichnen, da ich hier in Deutschland keine Freunde habe, die meine Muttersprache sprechen. Es ist außerdem verwirrend für mich, weil ich ich hier zwar sicher fühle, jedoch nicht zu Hause bin. Jeden Morgen stelle ich mir vor, dass ich in meiner Heimat erwache.
Was motivierte Sie dazu, Schriftstellerin zu werden?
Für mich ist Literatur mehr als nur ein Ausdruck von Worten; es ist meine Brücke zur Welt. Bereits in meiner Kindheit zog ich das geschriebene Wort dem gesprochenen vor. Der Wunsch, Schriftstellerin zu werden, entflammte in meinem Herzen, als ich gerade einmal neun Jahre alt war. Nach dem Besuch bestimmter Workshops wurde mir bewusst, dass Literatur weit mehr als nur das Verfassen von Texten ist – sie ist eine Methode, um Emotionen und Gedanken zum Ausdruck zu bringen. Mit Freude und unendlicher Neugier verfolge ich meinen Weg als Schriftstellerin, da es nicht nur meine Profession, sondern auch das Fenster zu meiner Seele ist.
Welche Intention haben Sie und welche Menschen wollen Sie mit ihrer Literatur erreichen?
In meiner Rolle pflege ich keine spezifischen Absichten oder eine bestimmte Zielgruppe, die ich mit meinen Werken ansprechen möchte. Mein Hauptantrieb ist der Wunsch, etwas zu schaffen und Geschichten zu erzählen, die, wie ich hoffe, meinen Lesern gefallen werden. Sollte ich eine konkrete Absicht benennen, wäre es, dass ich zwei verschiedene Lesergruppen für meine Geschichten begeistern möchte: Diejenigen, die einfach Freude am Lesen meiner Geschichten haben, und diejenigen, die daran interessiert sind, die tieferen Bedeutungen und Hintergründe meiner Erzählungen zu erforschen.
Wie fühlten Sie sich, als Ihre Werke im Iran für nicht druckbar erklärt wurden?
Im ersten Augenblick überkam mich eine tiefe Traurigkeit. Ich fühlte mich isoliert, denn für mich transzendiert Literatur weit über die Seiten eines Buches hinaus. Es gibt einen Spruch, der besagt, dass wenn jemand eine Tür vor deinem Gesicht zuschlägt, irgendwo ein Fenster für die Flucht offen bleibt. Im Iran herrschen strikte Regeln rund um Buchveröffentlichungen, die es einem nicht gestatten, sich selbst in einer Art und Weise zu präsentieren, wie man es gerne tun würde. Doch ich fand eine Lösung: Untergrundliteratur ist für diejenigen von uns, die beim Verfassen ihrer Werke keine Einschränkungen wünschen. Mit Untergrundliteratur möchte man ein Publikum erreichen, ohne etwas zensieren zu müssen. Ich muss zugeben, dass ich stets von der Angst begleitet wurde, im Iran festgenommen oder wegen meines Buches befragt zu werde.
Wie stehen Sie zur Vielfalt von Geschlechtern, Religionen und zur Freiheit?
Das Problem im Iran ist das Zensieren. Durch das Aufwachsen mit dem Zensieren war ich immer vorsichtig, was ich schreibe. Über jedes Wort nachzudenken, welches ich schreibe, und sich von unerlaubten Themen fernzuhalten, hat dazu beigetragen, dass ich mir sogar in einem freien Land wie Deutschland darüber Sorgen mache.
Was sind ihre Wünsche für die Zukunft, wenn es um die soziale Gemeinschaft und Politik geht?
Natürlich bin ich eine Verfechterin der Freiheit. Doch ich betrachte mich selbst als sehr realistisch denkende Person und glaube, dass falsche Hoffnungen zerstörerisch sein können, wenn man sich zu sehr in ihnen verliert. Falsche Hoffnungen werden nicht zum Sieg im Iran führen. Auch bin ich der Meinung, dass es im Iran kluge Menschen gibt, die durchschauen, was vor sich geht. Klarheit darüber zu haben, was man genau will, das ist der Pfad zum Triumph. Meine Aufgabe sehe ich darin, ein Spiegel für die Menschen zu sein, was ich durch meine Literatur zu verwirklichen versuche. Ich möchte die Stimme für den Iran sein.

Für euch zusammengefasst:
Atefe Asadi, eine iranische Schriftstellerin und leidenschaftliche Verfechterin der Freiheit, erlebt nach ihrem Umzug nach Deutschland einen “Verlust der eigenen Sprache”, da sie sich in einer Umgebung wiederfindet, in der ihre Muttersprache nicht gesprochen wird. Seit ihrem neunten Lebensjahr von Literatur fasziniert, sieht sie das Schreiben als Brücke zur Welt und Ausdrucksmittel ihrer Seele. Obwohl ihre Werke im Iran zensiert wurden, fand sie in der Untergrundliteratur einen Weg, ihre unzensierten Geschichten zu teilen, und trotz der damit verbundenen Ängste und Herausforderungen wurde sie zu einer Stimme, die unaufhaltsam für Freiheit und Ausdruck eintritt. In Bezug auf ihre Zukunftswünsche betont sie die Notwendigkeit, klare Ziele und realistische Hoffnungen zu haben, um Veränderungen im Iran herbeizuführen, während sie durch ihre Literatur weiterhin ein Spiegel für die Menschen sein möchte.
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