Am 10.10.2023 beginnen die Hannah Arendt Tage, die sich mit Demokratie und Menschenrechten beschäftigen. Hanna und Lucia aus der Klasse 11/2 interviewten unsere Landtagspräsidentin Hanna Naber (SPD) zu diesem Thema.
Hanna Naber, eine leidenschaftliche Pädagogin und Sozialmanagerin, hat ihre Karriere dem Bildungsbereich und dem Sozialwesen gewidmet. Nach ihrem Studium in Oldenburg und Berlin hat sie in verschiedenen Rollen – von der Dozentin für Sprachunterricht bei der Caritas bis zur Geschäftsführerin der AWO im Bezirk Weser-Ems – ihre Kenntnisse und Fähigkeiten eingesetzt, um Bildung und soziale Dienste zu fördern. Durch ihre Karriere, die von Bildungsreferentin bei der SJD bis zur Sozial- und Verbandsreferentin reicht, hat Hanna Naber beeindruckende Führungsqualitäten und ein tiefes Verständnis für soziale Angelegenheiten bewiesen. Hanna Naber, engagiert in der SPD seit 1988, wurde 2016 Schatzmeisterin der Partei in Niedersachsen und errang 2017 einen deutlichen Wahlerfolg im Wahlkreis Oldenburg-Nord/West. Nach einer Wiederwahl 2022 wurde sie am 8. November desselben Jahres einstimmig zur Landtagspräsidentin gewählt.

Lucia und Hanna: Was hat Sie dazu motiviert, in die Politik zu gehen?
Mit 16 Jahren bin ich in die SPD eingetreten, ich war schon immer sehr aktiv und habe sehr früh gemerkt, dass die Chancen bezüglich der Bildung und der Teilhabe nicht nur mit der Leistung, sondern auch viel mit dem Wohlstand der Eltern zusammenhängen. Schon damals fand ich das sehr ungerecht und es hat mir die Motivation gegeben, etwas verändern zu wollen und in die Politik zu gehen.
Lucia und Hanna: Warum sind Ihnen die Hannah Arendt Tage so wichtig?
Hannah Arendt ist eine sehr interessante und vielschichtige Politiktheoretikerin und Philosophin, die uns auch heute mit ihren Überlegungen und Konzepten viel mitgeben kann. Sie hat sich viel mit dem Fehlen demokratischer Strukturen und Menschenrechten auseinandergesetzt. Sie selbst ist vor den Nationalsozialisten geflohen und hat sich auch damit auseinandergesetzt. Diese Thematiken sind auch heute noch wichtige und sinnvolle Anstöße für Debatten. Damals war es definitiv nicht selbstverständlich, dass eine Frau auf diese Art und Weise in die Öffentlichkeit gegangen ist und leider ist es auch heute noch so, dass mehr Männer als Frauen im Vordergrund sind, sei es in den Naturwissenschaften, der Philosophie oder der Literatur: Häufig stehen die Frauen im Schatten der Männer. Und auch da sind die Hannah Arendt Tage sehr wichtig, weil sie auf dieses Thema aufmerksam machen.
Lucia und Hanna: Was meinen Sie, warum müssen unsere Menschenrechte geschützt werden?
Die Menschenrechte sind eine Grundlage für ein friedliches, solidarisches Miteinander und garantieren uns ein Leben in Freiheit und in Schutz vor staatlicher Willkür. Sie sind elementar und müssen deswegen geschützt, verteidigt und gegebenenfalls weiterentwickelt werden.
Beispielsweise hat sich die Debatte um Frauenrechte weiterentwickelt und nun wird auch auf die Rechte der queeren Community aufmerksam gemacht.
Gerade jetzt, wo die Menschenrechte in immer mehr Ländern mit Füßen getreten werden, ist es wichtig, auf sie aufmerksam zu machen und sie zu schützen.
Lucia und Hanna: Welche Verantwortung trägt die Politik im Bereich der Menschenrechte?
Die Politik trägt eine große Verantwortung. Menschenrechte fallen nicht vom Himmel und sind nicht selbstverständlich. All das, was wir in der Gesellschaft als Menschenrechte definieren, findet sich in Konventionen, Gesetzen und Richtlinien wieder. All das wurde ja durch die Politik beschlossen, insofern hat die Politik die Verantwortung dafür, wie Menschenrechte definiert werden, aber vor allem dafür, wie diese gewahrt werden.
Lucia und Hanna: Was können wir als Gesellschaft zum Schutz der Menschenrechte beitragen? Insbesondere auch unsere junge Generation?
Es ist wichtig, die Menschenrechte zu kennen und sich mit ihnen und ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Auch die Zivilgesellschaft hat eine Verantwortung für die Umsetzung und jede und jeder ist dazu aufgefordert, aufzustehen, laut zu werden und zu handeln, wenn Menschenrechte missachtet werden.
Lucia und Hanna: Was bedeutet Demokratie für Sie?
Die Demokratie ist ja gerade jetzt unter Beschuss, international sowieso, aber auch in unserem Land gibt es immer mehr Menschen, die die Demokratie anzweifeln, ablehnen oder sogar verächtlich machen. Die Demokratie hat ihre Schwächen und ist anstrengend, manchmal ist sie langsam. Trotzdem halte ich die Demokratie für die beste Staatsform, die es überhaupt gibt, weil die Demokratie die einzige Form ist, in der Menschen ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Geschlechts usw. gesellschaftlich und kulturell teilhaben können und mitbestimmen können. Deshalb bemühe ich mich, mein Amt dafür zu nutzen, gerade mit jungen Leuten das Thema zu diskutieren, denn aktuelle Studien zeigen, dass gerade junge Leute aktuell sehr empfänglich für autoritäre Muster und dem Ruf nach dem sogenannten „starken Mann“ usw. sind und mit Demokratie gerade nicht so viel anfangen können.
Lucia und Hanna: Inwiefern sehen Sie die Demokratie gefährdet? Und was sagen Sie zu dem Aufstieg der AfD der letzten Jahre?
Zum jetzigen Zeitpunkt muss man festhalten, dass die AfD eine demokratisch gewählte Partei ist. Gleichwohl steht sie in verschiedenen Bundesländern beim Verfassungsschutz unter Beobachtung. Ich bin zwiegespalten was die „Gefährdung“ betrifft. Die aktuelle Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung „Die distanzierte Mitte“ vermittelt ein erschreckendes Bild. Und die AfD, aber auch andere Parteien aus diesem Spektrum, die ein eher undemokratisches Menschenbild transportieren, werden als sehr laut wahrgenommen. Auf der anderen Seite gibt es aber viele, auch junge Menschen, die sich in unterschiedlichen Projekten gesellschaftlich engagieren. Ich habe manchmal den Eindruck, dass wir uns sehr schnell von den Sozialen Medien beeinflussen lassen und wir das „Geschrei“, die Hetze und den Hass besonders mitbekommen. Möglicherweise ist das aber nicht immer eine repräsentative Abbildung des wahren Lebens.
Lucia und Hanna: Was für ein Bild haben Sie von unserer Generation? Auch im Hinblick auf die „Letzte Generation“?
Ich finde es immer schwierig pauschal zu sagen „die Jugend“. Die Jugend ist vielfältig und ich finde es deshalb problematisch, dass in der Politik am meisten ältere Generationen darüber entscheiden, was die Jungen ausbaden müssen.
Ich lerne viele tolle junge Leute kennen und kann mit Sicherheit sagen, dass die Jugend nicht unpolitisch ist. Mir geht immer mein Herz auf, wenn ich sehe, dass sich junge Leute engagieren und sich für Projekte begeistern.
Ich denke die Jugend hat gerade schwere Hypotheken mit dem Klimawandel, dem Krieg in Europa und vielen anderen Entwicklungen. Es ist gerade nicht einfach, ein junger Mensch zu sein, und deshalb verstehe ich auch gewisse Formen des Protestes. Wenn es allerdings Straftaten sind, kann ich diese nicht gut heißen. Bei manchen Protestformen weiß ich auch nicht, ob sie inhaltlich und strategisch zielführend sind.
Die Wut, die Enttäuschung, die Angst, all das kann ich nachvollziehen, aber gewisse Proteste lehne ich ab, da sie Straftatbestände darstellen und meines Erachtens nicht zielführend sind.
Lucia und Hanna: Inwiefern hilft eine Demokratie unsere Menschenrechte zu wahren?
Das Eine bedingt das Andere. Dort wo keine Demokratie vorhanden ist, haben es die Menschenrechte auch sehr schwer. Wenn wir zum Beispiel an die Monarchie, die wir in Deutschland hatten, denken, war es da um unsere Menschenrechte auch nicht besonders gut gestellt. Insofern glaube ich, dass Demokratie und Menschenrechte im Prinzip zwei Seiten einer Medaille sind und beides gilt es zu verteidigen. Wenn das eine bricht, dann bricht das andere und umgekehrt.
Vielen Dank für das Interview, liebe Frau Naber!
Für euch zusammengefasst:
Hanna Naber trat bereits mit 16 der SPD bei, motiviert durch die festgestellten Ungerechtigkeiten im Bildungssystem, die stark mit dem elterlichen Wohlstand korrelierten. Sie schätzt Hannah Arendt als Philosophin und politische Theoretikerin, die, trotz der Herausforderungen ihrer Zeit, wichtige Impulse zu Demokratie und Menschenrechten setzte. Naber betont, dass Menschenrechte essentiell für eine solidarische Gesellschaft sind und sowohl von der Politik als auch von der Gesellschaft aktiv verteidigt und geschützt werden müssen. Demokratie sieht sie als bestes System, um gesellschaftliche und kulturelle Teilhabe für alle zu ermöglichen, trotz der Herausforderungen, die sie auch für junge Menschen birgt. Ihre Perspektive auf die junge Generation ist geteilt zwischen Besorgnis über eine Neigung zu autoritären Mustern und Bewunderung für ihr Engagement in diversen gesellschaftlichen Projekten. Naber erkennt eine komplexe Verbindung zwischen Demokratie und Menschenrechten und betont die Notwendigkeit, beides zu schützen.
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