Stephan Weil: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“

Kurz vor den Sommerferien hatten wir die Gelegenheit, ein Videointerview mit Stephan Weil zu führen. Stephan Weil ist Ministerpräsident des Bundeslandes Niedersachsen und Vorsitzender der SPD Niedersachsen. In der Videokonferenz stellte Leni Avecilla ihre Fragen, die sich mit dem Werdegang von Stephan Weil befassen und der Corona Lage in Niedersachsen.

Lieber Stefan Weil, wie sieht eigentlich Ihr persönlicher Werdegang aus? Wann konkret haben Sie als junger Mensch bemerkt, dass Sie für Politik brennen und dies dann schließlich zu Ihrem Beruf gemacht?

Stephan Weil: Ich war ein bis zwei Jahre jünger als du jetzt und es war Anfang der 70er Jahre. In diesen Jahren gab es eine Phase in Deutschland, die sehr spannend war: in der bewegten Zeit haben sich viele junge Leute, meist Studierende, für eine Veränderung der Gesellschaft eingesetzt und es gab einen Regierungswechsel. Vielleicht hast du den Namen Willi Brandt schon einmal gehört, er war Bundeskanzler und hat viel für die Friedenspolitik getan. Und als Schüler war ich fasziniert davon und so bin ich zur Politik gekommen, aber ich hatte eigentlich nie das Bild, dass ich Berufs-Politiker werde. 

Als ich hauptberuflich Politiker wurde, war ich bereits 47 Jahre alt – das war spät im Vergleich. Ich habe mich immer politisch engagiert, vor allem ehrenamtlich. Dann habe ich eine Weile im Hannoverschen Rathaus gearbeitet als Kämmerer, das ist so ein Art kommunaler Finanzminister: ich hatte die Aufgabe, die Kasse zu betreuen. Erst als ich im Jahr 2006 als Oberbürgermeister von Hannover kandidierte: da bin ich zum Politiker geworden. Ich glaube, das war auch nicht schlecht; denn Politik zu machen, um Karriere zu machen, das halte ich nicht für sehr geeignet.  

Was sagen Sie: Warum sollten sich junge Leute für Politik interessieren und sich engagieren? Oft genug haben viele junge Menschen den Eindruck, sie könnten ohnehin nichts bewirken.

Es gibt den schönen Satz „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“. Politik ist für alle Menschen relevant und wichtig – ganz egal, ob sie jung oder alt sind, ob sie Männer, Frauen oder divers sind. Ob sie Biodeutsche oder ob sie nach Deutschland zugewandert sind. Es ist für alle gleichermaßen wichtig. Nehmen wir mal das Thema Klimawandel: ob wir diesen in den Griff bekommen oder nicht, das wird vor allem von der Politik abhängen. Und so finde ich, dass sich jeder Mensch engagieren sollte! Wir leben in einer Demokratie und eine Demokratie lebt davon, dass die Menschen sich einbringen und beteiligen. Wenn Leute in einem demokratischen System nicht partizipieren, dann kann sie nicht funktionieren. 

Das Engagement ist auch nicht das Problem, Jugendliche erlebe ich als ziemlich politisch. Junge Menschen sind sehr politisch – denken wir an FridaysForFuture. Wenn man politisch etwas Grundsätzliches verändern will, dann muss man auch eine Partei haben. Warum? Weil Parteien nun einmal die Organisationen sind, die dauerhaft Politik machen und kontinuierlich eine Gesellschaft gestalten.

Wir alle erleben seit nunmehr einem Jahr massive Änderungen durch Corona – welche Einschränkungen betreffen Sie derzeit persönlich und im beruflichen Rahmen?

Naja, wir sprechen heute hier im Sommer 2021 und die letzten 15 Monate – das kann ich wirklich so sagen – das waren die härtesten und schlimmsten Monate, die ich bis jetzt hatte, weil die Situation so extrem war. Hier in Deutschland haben wir relativ viel Glück gehabt, denn bis jetzt sind wir von den großen Katastrophen verschont geblieben und übrigens kann man sagen, dass Deutschland viel besser weggekommen ist als viele, zum Beispiel ärmere, Länder. Aber es war wirklich extrem hart und ich freue mich, dass wir in einer Phase sind, in der es deutlich entspannter zugeht und ich glaube, wenn wir mit dem Impfen weiter vorankommen, haben wir eine echte Chance, die Pandemie in den Griff zu bekommen. Das Ziel muss sein, dass wir mit dem Coronavirus leben können wie mit dem Grippevirus. Das heißt, wir werden uns immer wieder entsprechend impfen lassen müssen. Und diese Impfung wird normal sein. Das ist Ziel des Ganzen und ich hoffe, dass die nächsten Monate deutlich leichter werden. 

Was raten Sie Kindern und Jugendlichen, um mental gesund zu bleiben? Und was können Eltern und Lehrer:innen tun?

Ihr habt eine wirklich harte Zeit hinter euch und ich habe jetzt ein bisschen über meine Situation geredet, bin mir  jedoch sicher, für euch war es teilweise noch einmal schwerer. Ich war, wann immer möglich, in Schulen und sprach mit Schülerinnen und Schülern. In vielen Gesprächen wurde mir klar, dass die Isolation schwer zu ertragen war – dass es schwer auszuhalten ist, Freunde und Freundinnen nicht regelmäßig sehen zu können und ich vermute, dass ihr jetzt wahrscheinlich viel lieber in die Schule geht als vor Corona und ihr euch darauf freut. Was ich den Schülern und Schülerinnen in Niedersachsen wünsche: möge es viele Gelegenheiten geben, um soziale Kontakte zu pflegen und wir alle die Möglichkeit haben, gemeinsam eine gute Zeit zu verbringen. Das finde ich im Moment viel wichtiger als das Thema Lernrückstände, die es auch gibt. Auch du, Leni, wirst Kinder und Jugendliche kennen, die Unterstützung beim Aufholen brauchen. Man kann sagen, dass 80 Prozent der Schülerinnen und Schüler ganz gut durch die Zeit gekommen sind, aber 20 Prozent eben nicht und um die müssen wir uns gut kümmern. Wir arbeiten dafür gerade an einem ziemlich großem Programm, für das es erfreulicherweise relativ viel Geld gibt.

Und wie bringen wir das Thema digitales Lernen bzw. das Lernen mit digitalen Medien voran, Herr Weil? 

Corona war in diesem Kontext ein echter Treibstoff, denn vor 2020 gab es viel weniger digitale Angebote. An Schulen wurde viel weniger digital gelernt, als dass es jetzt der Fall ist. Ich bin sicher, die Schulen der Zukunft werden immer wieder auf digitale Angebote zugreifen. Die Frage der digitalen Endgeräte ist für die Mehrheit der Schülerinnen und Schüler gut zu beantworten: sie haben Zugriff auf digitale Endgeräte, mit denen gearbeitet werden kann. Ich war während meiner Schulzeit Schülerzeitungsredakteur – die Zeit damals war aus deiner Perspektive gesehen geradezu Steinzeit, während ihr heute ganz selbstverständlich an einem digitalem Blog arbeitet. 

Als ich in der 9. Klasse war so wie du jetzt, hätte ich mir nie träumen lassen, was es Jahre später für Möglichkeiten geben wird. Für die meisten von euch sind nicht die digitalen Endgeräte das Problem, da geht es um andere Herausforderungen. Es gibt allerdings Schülerinnen und Schüler, für die war es eine Schwierigkeit und nun wird entsprechend Unterstützung geleistet. 

Es gibt jedoch immer noch erstaunlich viele Schulen, die haben keine gute Grundausstattung, wie WLAN oder einen Breitbandanschluss. Das ist nicht allzu gut nachzuvollziehen, denn für die Infrastruktur gibt relativ viel Geld, das derzeit nicht abgerufen wird – auch in Hannover. Ich kann hier sagen: Ich würde mich sehr freuen, wenn die zuständigen Städte und Gemeinden nun ordentlich Tempo machen und wir als Land helfen sehr gerne mit.

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