Ein junges Paar geht auf Reisen. Sie hat seit einem Jahr ihr Abitur, er ist schon seit ein paar Jahren als freier Kameramann und Filmemacher tätig. Doch bevor ihr jetzt denkt: Moment, das hab ich alles schon mal gesehen. Nein habt ihr nicht. Die Reise und die Art, wie sie Gwendolin Weisser und Patrick Allgaier in ihrem Film dokumentieren, hat nichts mehr mit den mehrteiligen Naturdokus von Arte oder mit einem Feelgood-Roadtrip-Movie zu tun. Die beiden wollen soweit in den Osten ziehen, dass sie von Westen aus wieder ihre Heimat erreichen und ihnen ist dabei nicht weniger als ein großartiges Abenteuer gelungen, welches der Zuschauer durch ihren Film miterleben darf.
Ich muss gestehen, ich war skeptisch. Nachdem mich die letzte außergewöhnliche Reisedokumentation doch eher enttäuscht hatte. Doch die Reise, die Unternehmung, von Gwen und Patrick, ohne Flugzeug sondern hauptsächlich per Anhalter um die Welt zu reisen, klang so aufregend, dass ich „Weit.“, der „Geschichte von einem Weg um die Welt“ eine Chance geben wollte. Es hat sich gelohnt. Das merke ich schon nach den ersten zehn Minuten, als ich bereits zweimal lauthals Lachen musste und völlig überrascht vom dynamischen Tempo des Films war. Dreieinhalb Jahre war das Paar unterwegs, da wäre es doch nahe liegend gewesen mit einer mehrteiligen oder zumindest einer dreieinhalb stündigen Doku wiederzukommen. Doch der Film dauert nur 120 Minuten und so wird dem Zuschauer nur die besten Ausschnitte präsentiert. Dadurch passiert es, dass das Trampen von Freiburg bis Moskau in nur wenigen Minuten abgehandelt wird. Das überrascht zunächst und mag den einen oder anderen vielleicht ärgerlich fragen: ist denn in dieser Zeit nur so wenig passiert?
Nein. Bestimmt ist mehr passiert, bestimmt haben die beiden auf diesem, verhältnismäßig kleinen, Abschnitt ihrer Reise schon eine ganze Menge erlebt, doch Patrick und Gwen sind nicht wegen eines guten Films auf Reisen gegangen, sondern für sich. Ein Umstand der für den Film und die ausgesuchten Szenen sehr wichtig ist. Man merkt es, an der Art wie die beiden mit den Menschen, denen sie begegnen, umgehen, wenn sie sie vor die Kamera holen und wie die beiden sich präsentieren, indem sie genau das nämlich nicht tun. Wir haben die Kamera immer dann rausgeholt, wenn es gepasst hat,erzählt Gwen nach der Vorstellung. Ihnen sei es darum gegangen den Moment einzufangen und ihn nicht zu Zerstören mit dem Versuch diesen unbedingt filmisch festzuhalten. Dadurch, dass sie 3,5 Jahre unterwegs waren, hätte es nie den Druck gegeben alles mitzufilmen, erklärt Gwen. So kommt es, dass die Ausschnitte der Reise, die im Film zu sehen sind, nicht einfach nur den Verlauf der Reise darstellen sondern jeder für sich eine Geschichte erzählt. Meistens sind das Geschichten über die Menschen die Patrick und Gwen auf ihrer Reise treffen und die sie begleiten. Mal über mehrere Tage und Wochen, mal nur für ein paar Stunden. Oder anders ausgedrückt, mal über 400 bis zu 900, mal nur für 8 Kilometer. Dass der Film im Großen keinen Spannungsbogen aufbaut, verzeiht man ihm schnell, denn es sind die vielen, kleinen Geschichten, die spannend sind und packend erzählt werden. In den Momenten zwischen den Geschichten, kommt der Film zur Ruhe. Gwen und Patrick erzählen aus dem Off, wie sie Situationen erlebt haben, gehen auf Fragen ein und bringen uns ihre Gedanken zu den Stationen der Reise nahe. Dieser Rhythmus tut dem Film gut. Schließlich arbeitet er auf nichts hin, will und muss am Ende nicht diese eine Geschichte erzählt haben. Da passt es, dass das große Wiedersehen mit Familie und Freunden im Film nicht gezeigt wird, sondern er mit einer ruhigen Kamerafahrt über den Schwarzwald und einer deutlich gewordenen Botschaft endet: Traut euch in die Fremde, tauscht Fantasie mit Erfahrung und vertraut darauf, dass es sich lohnt.
Und am Ende steht ein Film, der kein Film ist, sondern eine Dokumentation, im besten Sinne einer Momentaufnahme oder hier gleich mehrer. Gwen und Patrick ist ein Film mit einer Aussage und einer großen Strahlkraft gelungen. Jedenfalls würde es mich nicht wundern, wenn der Tourismus in Kasachstan, Tadschikistan, Georgien, Iran, Pakistan demnächst ansteigt.
Voraussetzung dafür, ist natürlich, dass möglichst viele den Film anschauen. Also nutzt auch ihr die Gelegenheit und geht ins Kino. Zum Beispiel am Montag 05.06, da läuft der Film um 20:45 im Kino am Raschplatz. Alle weiteren Vorstellungen findet ihr hier: www.weitumdiewelt.de/tourplan