Laura ist 15 Jahre alt und geht in die 9. Klasse der IGS Roderbruch. Beim HAZ-Schreibwettbewerb hat sie mit ihrem Interview den 3. Platz erreicht.
Lauras Interview mit Familie Zmolek, die für drei Jahre nach Amerika gezogen ist und mittlerweile wieder in Hannover lebt, dürfen wir hier veröffentlichen. Danke Laura!
Schon gut ein halbes Jahr ist Familie Zmolek wieder hier in Hannover. Der gebürtige Amerikaner Peter und die Deutsche Kati haben sich vor mehr als 19 Jahren in San Diego, Kalifornien, kennen- und liebengelernt, 1999 geheiratet und sind 2004 nach Hannover gezogen. Ihre beiden Söhne Tristan (14) und Collin (11) wurden hier geboren. 2013 entschied sich die Familie, für drei Jahre nach Amerika zu ziehen und nicht nach Shanghai, was ihnen auch angeboten wurde. Sie wollten ihren Kindern die Möglichkeit geben, ihre amerikanische zweite Heimat kennenzulernen.
Wieso seid ihr nach Amerika gegangen?
Peter: Das hatte nichts mit meiner Herkunft zu tun, sondern damit, dass ich von meinem deutschen Arbeitgeber ein sehr gutes Jobangebot in der Nähe von Charlotte in South Carolina bekommen habe.
Ich war natürlich froh wieder zu Hause in Amerika zu sein, doch ich wusste, dass ich nach drei Jahren wieder gehe. Es war oft nicht einfach, weil viele Kollegen nicht verstehen konnten, warum ich nicht bleiben kann. Außerdem musste ich viel reisen, war viel zu oft in Deutschland und somit getrennt von meiner Familie. Auch in Charlotte hatte ich meine Eltern und Geschwister nicht in der Nähe. Amerika ist ein riesiges Land und da sie zum Teil in Oregon leben, also im Nord-Westen, waren sie immer noch weit entfernt – zirka vier Flugstunden. Die Trennung von meiner amerikanischen Familie war aber für mich nie ein großes Problem, denn wir sind daran gewöhnt!
Kati, wie war es für dich beruflich in Amerika?
Kati: Meine Berufsausbildung als deutsche Kinderkrankenschwester wurde in den USA nicht anerkannt, da das System ein komplett anderes ist. Sechs Monate habe ich mich auf eine Prüfung vorbereitet, um wieder in einem Kinderkrankenhaus arbeiten zu können. Es war sehr schwer, von den Kollegen anerkannt und akzeptiert zu werden. Ich musste mich richtig behaupten! Meinen Beruf im Krankenhaus habe ich dann nach einem Jahr wieder aufgegeben, um einmal in der Woche in einer ambulanten Krankenpflege zu arbeiten um mehr für meine Familie da zu sein.
Wie habt ihr gewohnt?
Peter: Unser Haus war im Vergleich zu unserem Haus in Deutschland wirklich riesig. In Amerika ist einfach alles größer! Wir hatten nette Nachbarn und haben uns mit ihnen einen Pool geteilt!
Kati: Das Wetter war fast immer warm und sehr feucht. Manchmal gab es sehr heftige Gewitter und Hurrikanwarnungen! In den Sommermonaten ist es immer heiß, und die Jungs sind manchmal mit Badehose auf die Straße gerannt, wenn es geregnet hat. Unser Wohngebiet war waldig, und es gab viele Schlangen, die auch giftig waren.
Wie war es, eure Freunde in Deutschland zurückzulassen und neue Freunde zu finden?
Collin: Für mich war es sehr schwer, da ich in den ersten Monaten, keine wirklichen Freunde gefunden habe. Im zweiten und dritten Jahr wurde es dann besser, und ich hatte am Ende wirklich gute Freunde. Jetzt bin ich traurig, weil ich sie in Amerika zurücklassen musste.
Tristan: Ich fand es am Anfang vor allem schwer, mich an die Schule zu gewöhnen. Zum Glück habe ich schon nach ein paar Monaten Freunde gefunden. Der Sport hat mir dabei geholfen!
Wie war es, immer Englisch reden zu müssen?
Tristan: Wir sind zweisprachig groß geworden, was natürlich ein großer Vorteil ist. Aber wir hatten bis dahin noch keinen Unterricht auf Englisch. Doch es war kein großes Problem! Wir besuchten trotzdem einen speziellen Englischkurs, um unsere Sprachkenntnisse zu verbessern.
Sind die Schule und das Schulsystem in Amerika anders als in Deutschland?
Tristan: Ja, ich habe die Grundschule hier beendet, und wir sind in den Sommerferien nach meinem vierten Schuljahr nach Charlotte gezogen. Ich hatte jeden Tag bis 16.15 Uhr Schule, Collin bis 14.15 Uhr, das war für uns ungewohnt lang! Allerdings war es in der Junior High nicht so anspruchsvoll wie hier in Deutschland. In den USA gibt es keine unterschiedlichen Schulformen wie Gymnasium oder Hauptschule, sondern nur öffentliche oder private Schulen.
Waren in eurer Schule Kinder aus der ganzen Stadt oder nur aus eurem Umfeld?
Collin: Es waren vor allem Kinder aus Waxhaw, wo wir gelebt haben. Der Schulbus sammelt sie aus den anliegenden Wohngebieten ein und befördert sie zur Schule.
Wie war denn eure Schule?
Collin: Bei mir war es sehr streng! Wir Schüler konnten den ganzen Tag auf dem White Board der Klasse verfolgen, wie wir uns benehmen. Wenn wir auch nur einmal geredet haben, gab es eine Verwarnung. Dann ging es direkt zum Direktor, und es gab einen Verweis. Beim Mittagessen war es am schlimmsten. Sobald wir alle unser Essen hatten, begann klassische Musik im Fünf-Minuten-Takt zu spielen, und wir durften nichts mehr sagen. Ich fand das eigentlich ganz gut, weil die Schüler so gemerkt haben, was falsch ist. Übrigens: Man wird bereits im Schulbus durch Videoaufnahmen kontrolliert.
Wie habt ihr als Familie eure Freizeit gestaltet?
Tristan: Sonntags sind wir oft mit dem Jeep in die Berge und durch Matsch gefahren oder wir haben Football gespielt. Das war toll!
Kati: Die Natur ist einfach atemberaubend! Ich bin sehr viel geritten und habe meine Leidenschaft für Pferde wieder neu entdeckt.
Peter: Wir sind oft zelten gegangen und haben in den großen Ferien Städtereisen unternommen.
Was habt ihr aus Deutschland vermisst?
Tristan: Ganz ehrlich: Brötchen und Brot. In den USA gibt es fast nur weißes Papp-Brot!
Kati: Ich denke, ich habe die Freiheit vermisst, mit der man sich in Deutschland zu Fuß und per Rad bewegt und natürlich Freunde und Familie. Oh ja, und richtigen Käse!
Peter: Biergärten gibt es in Amerika auch nicht!
Habt ihr etwas von dem Waffengebrauch in Amerika mitbekommen?
Kati: Ja, wir kannten viele Leute, die eine Waffe besitzen. Wenn die Jungs zu einem Sleep over, also einer Übernachtungsparty, eingeladen wurden, habe ich die Eltern immer vorher gefragt, ob und wo sie eine Waffe im Haus haben. Ich hatte immer Angst, dass die Waffen plötzlich in den Händen der Kinder landen könnten. Die Tochter unseres Nachbarn bekam zu ihrem 21. Geburtstag eine Waffe mit Namensgravur geschenkt. Das war ein richtiger Schock für uns.
Peter: Es ist wirklich heftig, die Leute tragen Waffen am Körper, wie andere ein Kreuz um den Hals.
Tristan: Ich finde es komisch, dass die Leute so gläubig sind, aber fast jeder eine Waffe besitzt!
Kati: Uns hat besonders schockiert, dass eine Lehrerin von Collins Schule aufgrund eines Familiendramas erschossen wurde.
Gibt es Rassismus gegenüber Dunkelhäutigen?
Peter: Im Süden herrscht eher Rassismus als im Norden des Landes. In North und South Carolina, wo wir gelebt und gearbeitet haben, gab es früher Sklaverei und man kann noch merken, dass einige weiße Menschen sich immer noch gegenüber den schwarzen privilegierter fühlen. Genau in dieser Region fanden viele Obama inakzeptabel. Einerseits wegen seiner Hautfarbe, aber auch wegen seinen politischen Entscheidungen. Dies wurde gezielt durch Werbespots im TV gezeigt: „Obamacare hurts…“ Die Anzahl der Dunkelhäutigen ist viel höher als hier in Deutschland, außerdem trennen sich die Kulturen. Schwarze und Weiße wohnen in meist verschiedenen Stadtteilen, in Wohnsiedlungen mit zirka 30 Häusern leben nur in zwei Häusern schwarze Familien! Immer wieder gibt es auch bewaffnete Konflikte. Charlotte war diesbezüglich kurz vor unserer Rückkehr viel in der Presse.
Würdet ihr aktuell trotz der politischen Lage wieder zurück nach Amerika gehen?
Peter: Ja, auf jeden Fall! Es war natürlich manchmal schwierig, weil in North und South Carolina andere Meinungen herrschen, als wir sie vertreten, doch genau jetzt, wo Trump an der Macht ist, ist es wichtig, politisch aktiv zu sein und zu kämpfen!
Kati: Man darf vor den Problemen nicht weglaufen. Trotzdem: Es war erschreckend zu sehen, wie viele Menschen in unserer Nähe für Trump gestimmt haben, mit Argumenten, die für uns absolut unverständlich waren!
Was habt ihr aus Amerika mitgebracht?
Peter: Ich konnte mich nicht von meinem Jeep trennen!
Tristan: Meine Michael-Jordan-Basketballschuhe aus New York!
Collin: Kristalle und Mineralsteine aus Amerika! Unser Opa hat uns außerdem einen Talking Stick geschenkt, der bewirkt, dass nur derjenige reden darf, der ihn gerade hält. Der musste auch mit.
Kati: Ideell habe ich auf jeden Fall die offene freundliche und unvoreingenommene Art der Amerikaner mitgenommen – und natürlich meine Leidenschaft für Pferde und das Reiten!
Was könnt ihr Familien empfehlen, die für eine Zeit ins Ausland oder nach Amerika gehen wollen?
Kati: Man sollte den Amerikanern mit einer offenen Einstellung begegnen und ihnen zuhören. Denn dank einer offenen und ehrlichen Kommunikation lernt man die Geschichten der Leute kennen und beginnt, sie zu verstehen. Verlässlichkeit und Pünktlichkeit sind wichtige Eigenschaften, um Vertrauen zu gewinnen. Wenn du einen Amerikaner als Freund gewonnen hast, dann richtig und für immer!
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