Der Tüten-Trick der Industrie: Wenn man Luft einkauft

Eine kleine Einkaufs- Anekdote: Man hat den schrecklichsten Tag der Woche, Montag, überlebt und das Wochenende steht so gut, wie vor der Tür. Aus Gewohnheit steht man vor der Kühlschranktür und tastet sich vorsichtig voran, um den altbekannten Alltagshelden Mr. Fridge zu öffnen. Wir reißen hastig die Schatzkammer auf. Das Kühlschrank- Licht leuchtet golden schimmernd in unseren sehnsüchtigen Augen, geblendet von der Schönheit des Essen greifen wir… Moment mal. Stopp. Alarmstufe: ROT! Geschockt stellen wir fest, dass alle Köstlichkeiten unserer Küche zum Opfer gefallen sind und fröhlich durch unseren Darmtrakt gewandert sind, um anschließend in den Tiefen der Abflussrohre zu versinken. Der Kühlschrank ist leer. Völlig verzweifelt fahren wir über unseren Bauch, der sich grummelnd zusammenzieht. Jetzt ist schnelles Handeln gefragt, Mission Einkaufen wird gestartet. Den nächstliegenden Kugelschreiber klemmen wir an den Gürtel, den Notizblock stecken wir zum Portemonnaie in die Hosentasche. Mit drei Einkaufstaschen um den Hals und zwei zusammenklappbaren Einkaufskörben unter den Armen kann es endlich losgehen.

Die Ladentüren schieben sich mit einem leisen Quietschen auf. Umzingelt von den meterhohen Regalen, recken wir unseren Kopf ehrfürchtig nach oben. Kleine, mittelgroße, riesige, runde, eckige, bunte, farblose Dosen, Schachteln, Packungen und Boxen türmen sich wie ein Bauwerk auf. Für einen kurzen Augenblick verliert man die Orientierung. Überall wird mit „fairen“ Preisangeboten gepriesen. Fair? Für wen? Auf die Dumping- Löhne kann sich das schlecht beziehen. Reduzierungen wohin man blickt. Desto weniger, desto besser, scheint das Motto zu sein. Aber nicht nur bei den Preisen, sondern scheinbar auch bei den Tüteninhalten. Greift man zur einer Packung Chips liest man: „Knackige, frische Chips aus kontrolliertem Anbau, 250 g“ Das mit den knackigen Chips mag stimmen, aber 250 g? Beziehen sich die Hersteller auf das Gewicht der Luft? Angeblich muss ja so viel Luft rein, da die Chips sonst kaputt gehen würden. Was hilft da besser als ein Gasgemisch! Auf der Rückseite der Packung liest man an erster Stelle bei den Inhaltsstoffen Kartoffeln. Welch Ironie.

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Zwei Regale weiter bei den überteuerten Pralinen, die eigentlich eher wie runde Schokokreis- Mutationen aussehen, entdecken wir das gleiche Phänomen. Die klassische Pralinenverpackung wiegt 100g. Vorne auf dem Deckel sind irgendwelche Goldschnürkel aufgedruckt, damit ein „Die- Pralinen-sind-nur-für- Bonzen- Eindruck“ erweckt wird. Öffnet man die Packung sieht man erst mal nichts von den Pralinen, sondern ein Pappding auf dem immer etwas steht, wie „Pralinen versüßen dir den Tag, egal wo du auch bist“ Wow, wer schreibt sowas? Richtig poetisch. Unter dem poetischen Pappding sind in einem Plastikteil ganze 9 Pralinen mit 1,3 cm Durchmesser eingelassen. Drumherum nochmal Pappe. Zusammengefasst: Die Müllabfuhr freut sich über so viel Papier und Plastik, der Magen wird sich weinend verkriechen.

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Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen fand bei einem Test heraus, dass Keks- und Knabberpackungen durchschnittlich 40 Prozent leeren Raum enthalten. Untersucht wurden 15 Produkte namhafter Hersteller aus Supermärkten und Discountern. Jede dritte Packung war sogar zur Hälfte leer. Wie kann Teilen da noch Freude machen?

Nachdem wir mit unserem Einkaufswagen ein Rennen durch den Regal- Parcours veranstaltet haben und unsere Lebensmittel (mit und ohne Luft) ergattert haben, stellen wir uns an die Schlange, die stark an die chinesische Mauer erinnert. Wie fast immer steht eine Oma vor uns an der Kasse, die in ihrem verranzten Portemonnaie herumwühlt. Zuerst zieht sie ein paar DM- Münzen heraus, merkt dass der Euro ja schon eingeführt wurde und sucht weiter. Sie muss 4, 85 € zahlen. Mehr ist auch nicht drin bei der Rente. Währenddessen fragt die Kassiererin, ob die Frau eine Payback- Karte habe. Für alle, die nicht wissen was das ist: Man bekommt für jeden Einkauf, abhängig von der Höhe des Einkaufs sogenannte Payback- Punkte. Diese kann man für super tolle Made-in-China- Produkte einlösen. Das eigentliche Geschäftskonzept ist nicht, dass sie einem „umsonst“ aus reiner Nächstenliebe total hochwertige Produkte schenken, sondern die angegebenen Daten für die Marktforschung nutzen. Unterm Strich: Man bezahlt mit seinen Daten die Produkte, die man „geschenkt“ bekommt. What a surprise!

Die Oma sucht nun nach ihrer Payback- Karte und denkt sie gefunden zu haben. Sie zeigt der Kassiererin ihre Kreditkarte. Fast, haarscharf vorbei. Die Kassiererin schüttelt den Kopf und ist langsam genervt. Nun sind wir an der Reihe und bezahlen unsere Luft.

Zuhause angekommen packen wir unseren Einkauf aus und stellen alles in den Kühlschrank. Obwohl er jetzt bis zur Oberkante voll ist, ist er genauso voll wie vorher, mit Luft.

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