Interview mit Oberbürgermeister Belit Onay „Der Schutz der Menschenrechte ist für uns handlungsprägend“

Das Interview mit unserem Oberbürgermeister Belit Onay führten Emma, Linnea und Lilli

Lieber Herr Onay, aus welchem Grund haben Sie den Schwerpunkt Menschenrechte als Thema für die diesjährigen HANNAH ARENDT TAGE (HAT) gewählt?

Gerade im Jahr des 75. Jubiläums der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und vor dem Hintergrund der derzeitigen Situation in Europa hat es eine besondere Bedeutung. Mit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und vielen Menschen, die weltweit auf der Flucht sind, ist die Aufgabe der Verwirklichung der Menschenrechte nach wie vor aktuell.

In ihrer Schrift „Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft“ beschäftigt sich Hannah Arendt mit den Menschenrechten und deren Auslegung. Inwiefern haben diese Gedanken noch heute Relevanz?

Sie haben leider eine sehr große Relevanz und Aktualität, wenn wir beispielsweise an staatenlose Menschen denken, deren Schicksal Arendt thematisiert. Damals ging es um die Staatenlosen nach dem Zweiten Weltkrieg, aber auch heute fliehen Menschen aus autoritären Staaten und werden auf der Flucht verfolgt, diskriminiert, entrechtet. Wie verhält es sich dann mit dem Zugang zu den universell geltenden Menschenrechten? Wie können sie gewährleistet werden? Diese Fragestellung ist für viele Menschen, die nach Europa fliehen oder mittlerweile hier in Deutschland und Hannover leben, sehr aktuell.

Wieso müssen wir hier in Deutschland und insbesondere auch in Hannover mehr über Menschenrechte sprechen, obwohl sie hier doch schon im Gesetz verankert sind?

Die Gewährleistung von Menschenrechten in der Verfassung ist eine große Errungenschaft und sie hat konkreten Bezug zu den Menschen, die in unserer Stadt leben. Geflüchtete, die hier z. B. auf die Asylanerkennung warten, erleben Ausgrenzung, Diskriminierung und oft auch Rassismus. Bei der Pride-Parade zum Christopher Street Day (CSD) in Hannover wurden in diesem Jahr Teilnehmende angegriffen, die für die Rechte und gegen die Diskriminierung der LGBTIQ*-Community demonstrierten. Das Eintreten für die Verwirklichung der universellen Menschenrechte geht uns also hier in Hannover konkret an.

Können Sie uns an einem Beispiel erklären, wieso Ihnen als Bürgermeister das Thema Menschenrechte am Herzen liegt?

Wir sind als Landeshauptstadt in verschiedensten Aktivitäten angebunden, wo wir institutionell versuchen, Menschen zu unterstützen und Menschenrechte dadurch zu schützen. Wir sind zum Beispiel Mitglied in der Organisation International Cities of Refuge Network, einem Netzwerk für Autor*innen, die in ihrem Herkunftsland nur eingeschränkt die Möglichkeit zur Verwirklichung, zum Schreiben haben. Diesen Personen bieten wir hier Schutz durch das Hannah-Arendt-Stipendium. Aktuell ist die Stipendiatin Atefe Asadi aus dem Iran. Eine junge, sehr beeindruckende Frau mit sehr viel Kraft und Kreativität. Insofern nehmen wir da die Verantwortung an, die wir ganz offensichtlich als Stadt haben und verstecken uns nicht.

Gibt es in Zukunft konkrete Ziele zum Thema Menschenrechte, auf die Sie fokussieren wollen?

Wir wollen mit Diskussionen wie z. B. im Rahmen der HAT Öffentlichkeit für das Thema herstellen. Der Schutz der Menschenrechte ist für uns handlungsprägend, auch in unserer täglichen Politik. Über unser Engagement als Friedensstadt im Netzwerk der Mayors for Peace, in der Solidarität mit geflüchteten Menschen und mit Blick auf den Schutz von Menschen, die in unserer Stadt leben und Diskriminierung erfahren, wird das Thema natürlich auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Warum sollten wir alle zu den HAT 2023 gehen?

Zum einen, weil es wirklich sehr besondere, unterschiedliche Veranstaltungen gibt. Zum anderen, weil die HAT Möglichkeiten schaffen, um sich aktiv einzubringen. Ich lade euch alle herzlich ein, an unseren vielfältigen Angeboten teilzunehmen!

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von Anders Noren.

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