Schülerdemo in Brake und deren Nachspiel

Ein Kommentar der Schülerin Rebecca Gundlach zu den aktuellen Geschehnissen

Vergangenen Mittwoch haben in Brake, Landkreis Wesermarsch, hunderte von Gymnasiasten den Unterricht verlassen und sich mit Plakaten, die sie im Laufe von vier Tagen mühevoll erstellen hatten auf die Straße gestellt, um die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt (SPD) zu empfangen. „Wir wollen Lehrer ohne Burn-out“ und „Wir wollen Klassenfahrten“ steht auf den Plakaten unter anderem. Die Schuld der Ministerin ist es nicht, dass Klassenfahrten wegfallen. Das liegt an dem Boykott der Gymnasiallehrer aufgrund der extra Stunde Unterrichtszeit pro Woche, die ihnen auferlegt werden soll (was wiederum doch der Kultusministerin zuzuschreiben ist). Auch gegen die Förderung der IGSen demonstrieren sie, da sie Angst haben ihr Gymnasium müsse weichen wenn aus der benachbarten Gesamtschule, wohin die Ministerin eigentlich gehen wollte, in eine IGS ausgebaut wird. 

Die Erziehung zu mündigen, demokratisch aufgeklärten und eigenständig denkenden Bürgern ist seit ihrer Gründung der wohl wichtigste Auftrag unserer Schule und wird ernst genommen. Auch wenn wir nicht alle Vorwürfe der protestierenden Schülerschaft von Mittwoch nachvollziehen können, wir müssen also doch anerkennen, dass sie sich zusammen getan und sich eines Mittels der Demokratie bedient haben, um die Kultusministerin auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Tatsächlich hat Frau Heiligenstadt sich nach ihrem Besuch der Gesamtschule, wo sie sich lediglich über deren Ganztagsprogram informieren wollte, sich mit den Schülersprechern Johannis Wilbertz und Lotta Köhlke des Gymnasium zusammen gesetzt und ein „Krisengespräch“ abgehalten, wie es die „Nordwest-Zeitung“ beschreibt. Sie waren vor Ort bei den Protesten und haben sowohl Videomaterial als auch einen Artikel am 07.05.2015 verfasst und veröffentlicht. 

Nun soll dieser Artikel aber zu Dreh und Angelpunkt einer Debatte um Pressefreiheit und Meinungsfreiheit werden, die durch niemand anderen eingeschränkt wird als die Bildungsbehörde selber. Da es laut Aussage des Rektors Klaus Dannemann bei ihnen so üblich sei, alle Pressemitteilungen die mit dem Gymnasium zu tun haben auf die Homepage der Schule zu stellen, geschah eben dies mit dem kritischen Artikel vom Donnerstag, der den Titel „Buh-Rufe in Brake für Kultusministerin“. Schon am nächsten Tag am 08. Mai um 12.27 Uhr war dieser Artikel auf Anweisung der Landesschulbehörde gesperrt. Die Begründung einer Sprecherin?

„Die Veröffentlichung des Artikels sei mit dem Öffentlichkeitsauftrag einer staatlichen Schule nicht vereinbar – deshalb habe er entfernt werden müssen, ‚um weiteren Schaden von der Institution Schule abzuwenden’“ (Zitat des Artikels „Streit um Klassenfahrten eskaliert“ von Heiko Randermann, Wochenendausgabe der HAZ). Der Artikel habe des weiteren den falschen Anschein geweckt, bei den Protesten habe es sich um eine offizielle Veranstaltung gehandelt. 
Da sie aber gerade das nicht war, muss sich nun der Schuldirektor in einem Disziplinargespräch verantworten. Es müsse sich dafür rechtfertigen, wie es sein könne, dass hunderte von Schülern den Unterricht schwänzen und für eine unbeaufsichtigte Demo nutzten. Dabei gibt er der HAZ gegenüber an, bereits am Montag, dem 04. Mai ein Verbot an die Schülervertretung und den Lehrer ausgesprochen zu haben, eine Demo auszuführen. Die Aktion sei alleine von der Schülerschaft organisiert worden. Dies bestätigt auch die Schülersprecherin Lotta Köhlken gegenüber der Nordwest-Zeitung und äußert ihr Unverständnis, dass der Rektor für die Taten der Schülerschaft zur Rechenschaft gezogen wird.  

Derweil lässt Heiligenstadt am 08. Mai ausrichten, sie habe von der Zensur weder gewusst, noch habe sie diese angewiesen. Die Schulbehörde habe das alleine zu verantworten. Doch diese wehrt sich, die Anordnung richte sich keineswegs gegen die Presseberichtserstattung. Aus der Politik begegnen sowohl der Behörde scharfe Kritik, als auch der Ministerin selbst, wie dem Artikel „Schlechtes Vorbild für Niedersachsens Schüler“, wieder von Heiko Randermann in der HAZ vom 11. Mai zu entnehmen ist. Heiligenstadt muss sich von CDU-Fraktionschef Björn Thümler unter anderem den Vorwurf gefallen lassen, sie sei Kritikunfähig. Doch auch der rot-grünen Landesregierung wird von FDP-Schulexperte Björn Försterling unterstellt, „mit der vollen Härte des Apparats“ auf die Demonstration reagiert zu haben. 

Doch was heißt das alles nun für uns Schüler? 
Johannis Wilbertz sagt der Nordwest-Zeitung gegenüber aus, er fühle sich wie in einem totalitären Staat. Die Schülerschaft des Gymnasiums ist fassungslos und verunsichert. Dass die Landesschulbehörde so drastisch auf eine Presseveröffentlichung reagiert, sei bei weitem nicht unüblich, so der Chef der Gewerkschaft GEW, Eberhardt Brandt zur HAZ. Ihre Willkür ist von der Machtposition untermauert, mit der sie problem- und folgenfrei den Rektor der Schule ins Dienstgespräch rufen und der Schule ein Mäßigungsgebot auferlegen können. 
Ja, wir als IGS-Schüler können vielleicht nicht den Inhalt der Demonstration einfach so unterstützen. Aber das grobe Unrecht, der Eingriff in die freie Meinungsäußerung der Schülerschaft und gegen die Pressefreiheit lässt sich nicht leugnen. Die Medien kann man nicht öffentlich angreifen und in den Zeitungsdrucken und auf der Webseite der Nordwest-Zeitung bleibt der Artikel, im Elefantengedächtnis des Internets gespeichert. Eine Schulwebseite hingegen kann man augenscheinlich ohne Konsequenzen zensieren. 
„Man bringt uns im Politikunterricht etwas über Demokratie bei. Und dann kommen ausgerechnet Politiker und verbieten uns, zu sagen, was wir denken“, sagt ein Schüler des Gymnasiums Brake aus. 
Trösten wir uns daran, dass durch die Zensur der Artikel und die Aktion um vieles mehr Aufmerksamkeit zuteil wurde, als es je geworden wäre, wenn die Behörde nicht eingegriffen und einfach gewartet hätte, bis der Konflikt vergessen wäre.

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Auch der Spiegel berichtet: http://www.spiegel.de/schulspiegel/schulbehoerde-zensiert-website-des-gymnasiums-brake-a-1033188.html

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