Windräder: Abstand gut, alles gut?

Ein Artikel von Viktoria Sochor

Windräder sollen erneuerbaren Strom eine klimafreundliche Welt liefern, doch viele Menschen wollen die Anlagen nicht in der Nachbarschaft haben. Eine Studie der Uni Halle zeigt, wo eigentlich das Problem liegt.

Für die einen Energieträger der Zukunft, für die anderen ein lauter Stahlkoloss mit Rotorblättern: Viele Anwohnende sehen Windräder nicht als willkommene Dekoration beim Blick in den Garten. In Bayern gibt es deshalb die sogenannte 10-H-Regelung, nach der Windräder zehnmal so weit von der nächsten Wohnsiedlung entfernt stehen, wie sie hoch sind. Etwa zwei Kilometer sind das für ein modernes Windrad. Auch in anderen Bundesländern ist das im Gespräch. Klimabewegung und Ökostrom-Unternehmen befürchten: Damit wird es viel zu wenig Stellplätze für die Anlagen geben, um die Energiewende durchzuziehen. Ob die Klagenden wirklich glücklicher werden, wenn die Windräder weiter weg stehen, ist indes unklar – zumindest, wenn man einer Studie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg glaubt.

Zwischen 2009 und 2013 hat ein Forschungsteam der Uni 1.300 Personen befragt, die in der Nähe von Windrädern wohnen. Das Ergebnis: Wer mindestens zwei Kilometer weit weg lebt, spricht häufiger von einer „allgemeinen Bedrohung“ durch die Windräder als nähere Nachbarn. Die Belastung scheint demnach erst wieder zuzunehmen, wenn Windräder quasi unmittelbar hinter dem Gartenzaun stehen und die Rotorblätter einem förmlich zuwinken.

Bürger wollen über Standorte für Windräder mitentscheiden

Das Problem, schlossen die Forschenden, sei keineswegs, dass Windräder hässlich oder laut seien – auch wenn einige Befragte auch diese Probleme angesprochen haben. Ein anderer Aspekt belastet das Gros viel mehr. Das Image der Windenergie leide, so heißt es, wenn die Bürger oder Bürgerinnen das Gefühl hätten, an den Entscheidungsprozessen nicht beteiligt zu sein. „Die Menschen dürfen nicht einfach von Windparkprojekten überrollt werden“, sagt Gundula Hübner, Professorin an der Uni und Ko-Autorin der Studie. Ressentiments seien schnell geschürt und entstünden vor allem, wenn sich die Leute ausgeschlossen fühlten.
Die meisten Anwohnenden zeigen sich laut der Studie positiv gestimmt, wenn sie über Baumaßnahmen informiert worden sind und in den Planungsprozess einbezogen wurden. „Eine Garantie für einen problemlosen Verlauf gibt es nicht, aber mit Partizipation dürften sich die großen öffentlichen Konflikte eher begrenzen lassen als ohne“, so Hübner. Sie empfiehlt daher, die Umgebung in Projekte einzubeziehen, um Vertrauen aufzubauen. Es ergebe sich eine Win-Win-Situation: Die Unternehmen profitierten auch durch das Wissen der Anwohnenden, die entscheidende Tipps zum Standort der Windräder geben können.

Einige deutsche Bundesländer haben bereits reagiert. In Mecklenburg-Vorpommern etwa müssen Anwohnende von Windrädern künftig die Möglichkeit der finanziellen Beteiligung bekommen – entweder per Unternehmensanteil oder etwa per günstigem Stromtarif. In Thüringen will man Bürger und Bürgerinnen sowie Kommunen jetzt durch das bisher bundesweit einzigartige Label „Faire Windenergie“ an Bord holen. Damit zeichnet die Thüringer Energie- und Greentech-Agentur (Thega) die Windradbauer aus, die die Menschen vor Ort an den Vorteilen der windbasierten Energiewende teilhaben lassen und sie besonders gut in den Planungsprozess einbinden.

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